JULI 2012...
10 Jahre ist es her, dass wir eine Einzelausstellung mit Werken von Hermann Nitsch bei uns im Rosental zeigen durften...
HERMANN NITSCH (1938 - 2022)
ein großer und einzigartiger Künstler, Philosoph und Kosmopolit ist nicht mehr... Mit großer Dankbarkeit erinnern wir uns an den Besuch von Hermann Nitsch und seiner Frau Rita bei uns im Rosental im Rahmen seiner Ausstellung 2012. Bei der Eröffnung in unserem Garten, an einem sommerlichen Sonntagmorgen haben der Kulturjournalist Karl Bertram Steiner und Hermann Nitsch vor Publikum über Gott und die Welt und die Kunst philosophiert. Als nach einer guten, erhellenden Stunde die Frage im Raum stand, ob jetzt alles Wesentliche nicht schon gesagt wurde, beziehungsweise ob man nicht eigentlich am Ende des Gesprächs angekommen sei, begannen im Nachbarort die Kirchenglocken zu läuten... seither tragen wir diese so besondere Begegnung in uns...
Unser tief empfundenes Mitgefühl gilt seiner Frau Rita, seiner Familie, Freunden und Freundinnen und all jenen die diesem einzigartigen Künstler nahe waren. Judith und Carolin Walker
1938 in Wien geboren, Abschluss an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt in Wien, Gebrauchsgrafiker am Technischen Museum Wien. In den 1960er Jahren bringen Malaktionen und das "Orgien Mysterien Theater" ihn in Schwierigkeiten und er übersiedelt nach Deutschland; große Erfolge in Deutschland und in den USA folgen. Hermann Nitsch wird zu einem entscheidenden Gründer des Wiener Aktionismus. 1971 erwirbt er Schloss Prinzendorf in Niederösterreich, wo er seine Kunst, sein Theater, inklusive Musik in vielen Aktionen verwirklicht.
Gastprofessuren und Lehrtätigkeit an Staatlichen Hochschule für Bildende Künste – Städelschule in Frankfurt am Main und der Hochschule für bildende Künste Hamburg. 2009 Gründung der Nitsch Foundation zur Vermittlung und Dokumentation seines Gesamtkunstwerks. Der Künstler lebte und arbeitete auf seinem Schloss in Prinzendorf an der Zaya, Niederösterreich sowie in Asolo, Italien.
Nitsch ist am 18. April 2022 nach langer Krankheit in Mistelbach verstorben.
1938 bin ich in wien geboren und im 2. weltkrieg aufgewachsen. von 1943-1945 musste ich als kind täglich bombenangriffe erleben. mein vater fiel in russland. der krieg machte mich schon als schüler zum kosmopoliten und gegner aller nationalitäten und aller poltik. ich war ein schulversager und musste das gymnasium verlassen. meine zeichnerische begabung ermöglichte mir das studium an der graphischen lehr- und versuchtsanstalt. ich erhielt dort eine gute künstlerische grundausbildung. ich entwickelte mich vom naturstudium zur abstrakten malerei. auch beschäftigte ich mich mit lyrik, dichtung, theater und klassischer musik. die gesamtkunstwerkansätze von der griechischen tragöde, von claudio monteverdi, von richard wagner, richard strauss, claude debussy, alexander skrjabin, wassily kandisky und arnold schönberg faszinierten mich. philosophie, vergleichende religionswissenschaften und psychoanalyse, die mystik aller religionen interessierten mich. zur gleichen zeit begriff ich die landschaftliche schönheit des weinviertels. ich hatte innige naturerlebnisse. nach beendigung des studiums 1958 wurde ich grafiker in technischen museum (wien). ich bezog dort ein grosses atelier und konnte viel an den partituren des o.m. theaters arbeiten. ich versuchte ein 6 tage dauerndes urdrama zu schreiben, welches die antike tragödie, shakespeare, faust, kleist und wagner zusammenfassen und auf einen nenner bringen sollte. informiert durch freud und jung wollte ich erlösungsmythen, tiefenpsychologisch gesehen gedeutet in meine arbeit einbeziehen. das urdrama benutzte die sprache. schauspieler sollten ihre rollen sprechen. die sprache war vollgepfercht mit sinnlichen bildern. das buch „die wortdichtung des o.m. theaters“ veranschaulicht diese entwicklungsphase meines werkes. warum sollten meine zuschauer nur von den verbal zitierten erinnerungen sinnlicher empfindungen getroffen werden. ich verlange von meinen zuschauern, dass sie direkt sinnlich erleben sollten. es gab anweisungen zu schmecken, riechen, schauen, hören und tasten. es wurden fleisch, eingeweide und obst zum betasten an die zuschauer gegeben. gerüche wurden verströmt, weihrauch und anderes räucherwerk. flüssigkeiten wie blut, benzin, essig, milch, urin, petrolium, terpentin, amoniak, essig, heisses wasser und milch (wurden) im theater verschüttet. in der folge entstand das orgien mysterien theater durch welches die sprache überwunden wurde. es sollten nur mehr reale geschehnisse inszeniert werden. das orgien mysterien theater war geboren. (...)
Hermann Nitsch, Auszüge aus seiner Biografie, entnommen der Website https://www.nitsch.org/biografie/, April 2022