IRENE ANDESSNER

Donne Illustri, 2003

 

Caffè Florian am Markusplatz in Venedig: Im „Saal der berühmten Männer“ (Sala degli Uomini Illustri) hängen zehn Ölgemälde von Giulio Carlini (1826–1887). Dessen postum gemalte Porträts der berühmter Venezianer – von Marco Polo über Tizian bis Goldoni – konfrontiert Irene Andessner mit zehn Venezianerinnen, darunter der Stadt berühmteste Komponistin (Barbara Strozzi), Malerin (Rosalba Carriera) und teuerste Kurtisane (Veronica Franco), sowie die erste Doktorin (Elena Lucrezia Cornaro Piscopia) und die erste Frauenrechtlerin der Welt (Moderata Fonte). Mit dieser Intervention verwandelte sich die Sala degli Uomini Illustri in die Sala delle Donne Illustri (Salon der berühmten Frauen). Eine vexierbildartige Irritation: Von Maske, Garderobe, Licht, Dekoration und Bildausschnitt abgesehen, weichen Andessners Darstellungen von den historischen Bildreferenzen der zehn Frauenfiguren ab: Sie hat nicht die Haltung und Blicke der Frauen, sondern der Männer aus den zu überhängenden Porträts nachvollzogen. Damit ist das Selbstverständnis, die Präpotenz, der männlichen Pendants gebrochen.

 

Ein weiterer Raum, Saletta Liberty, erhält einen Leuchtkasten mit einem Fonte/Andessner-Ganzkörper-Fotoporträt und einem „Fonte“-Porträt in Öl auf Leinwand, für das Andessner im Atelier von Marinella Biscaro Modell gesessen hat.

„7 Gentildonne“: Im Vorfeld der Ausstellung beruft Andessner im Caffè Florians Herrensalon ein Treffen von sieben Italienerinnen ein – als zeitgenössische Interpretation von Moderata Fontes Streitgespräch „Das Verdienst der Frauen“ (Il Merito delle Donne), per Video dokumentiert und im Ausstellungskatalog wiedergegeben.

 

In der Fotoproduktion für das Venedig-Projekt entstanden zusätzlich Ganzkörper-Porträts, die die historisierenden (in der Rauminstallation nur in ovalen Büsten-Ausschnitten sichtbaren) Frauendarstellungen mittels Stylings vollends in unsere Gegenwart transponierten. In diesen Bildern ist auch zu sehen, dass die Künstlerin den Kameraauslöser in der Hand hielt, also – im Gegensatz zu früheren Produktionen – selbst das Bild auslöste, und zwar genau in dem Moment, in dem sie sich der jeweiligen Rolle innerlich so gewachsen fühlte, dass sie sich sicher war, die Persönlichkeit der jeweiligen Vorbild-Frau perfekt zum Ausdruck zu bringen. Diese Arbeitsweise entspricht den historischen Venezianerinnen, die ihre Profession ebenfalls selbstbestimmt und selbstständig, unabhängig von Männern, entwickelt und gelebt haben. Die Ganzkörper-Selbstporträts sind in lebensgroßem Maßstab als Leuchtkästen ausgeführt.

 

Das Projekt „Donne Illustri“ fand, kuratiert von Stefano Stipitivich, im Rahmen des Kunstprogrammes des Caffè Florian statt. In der vor 15 Jahren von der Caféhausbesitzerin und Kunstsammlerin Daniela Gaddo Vedaldi gestarteten Ausstellungsreihe waren bisher Künstler wie Mimmo Rotella (1990), Fabrizio Plessi (1993 und 2001) und Luca Buvoli (1997) vertreten.

 

 

 

Es ist uns eine große Freude, im Rahmen unserer Ausstellung VENEDIG AUF REISEN… diese so besondere Porträtserie bei uns zeigen zu können. 

Irene Andessner, Donne Illustri, Eröffnung im Café Florian, Venedig, 2003 ©Andessner
Irene Andessner, Donne Illustri, Eröffnung im Café Florian, Venedig, 2003 ©Andessner